Salade nicoise 13146 N750Mit Kartoffeln?

 

Irgendwann Anfang der 90er-Jahre habe ich - vielleicht zu Unrecht - eine Wette gewonnen. Ich hatte gewettet, dass Kartoffeln und grüne Bohnen in die Salade niçoise gehören. Überzeugend begründet wurde diese Behauptung unter anderem mit dem Rezept eines Küchen-Papsts. Paul Bocuse schreibt über die Zutaten zum Nizza-Salat in seinem Buch "Die neue Küche - Die Rezepte des Königs der Köche": "Zu gleichen Teilen Kartoffeln, Tomaten, grüne Bohnen und Kopfsalatherzen, Öl, Essig, Salz, Pfeffer, 1 Zwiebel, ein paar Kerbelblätter."

Das mit den Kartoffeln und den grünen Bohnen gehe ja gar nicht, behauptet jetzt Alexandra Borchio-Fontimp - immerhin Senatorin im Oberhaus des französischen Parlaments. Und sie fordert, dass für Rezepte ein ähnlicher Schutz wie beispielsweise für einen Aston-Martin gelten müsse (!). Dies alles um die Traditionen der französischen Gastronomie zu bewahren. (Nice-Matin 21.07.22).

Im Vorwort der Bibel der Mittelmeerküche "Alain Ducasse Die mediterrane Küche" - einer umfassenden, mit Hilfe von Historikern entstandene Rezeptsammlung des westlichen Mittelmeerraums - steht: "Diese Schatzkiste wurde von Franck Cerrutti [und anderen Köchen] bearbeitet und angepasst. Mit Talent haben sie das Gleichgewicht zwischen Authentizität und Modernität gefunden". Und in diesem Buch gibt es natürlich auch ein Rezept des Nizza-Salats, das man auch "Großer gemischter Salat mit Anchovis und Oliven" taufen könnte, so unterscheidet es sich von anderen gleichnamigen Rezepten. Und dazu steht in der Einleitung: "Für den Autor eines Rezepts das in der Zeitung "Pot-au-Feu" (Suppentopf) im Jahre 1903 veröffentlicht wurde, spielte die Tomate [ ] die Hauptrolle. Die hartgekochten Eier, die Jacques Médecin [ ] in seinem Buch [von 1976] erwähnt, scheinen eine relativ neue Ergänzung des Rezepts darzustellen. Es gibt eine Vielzahl von Variationen zu diesem Rezept."

 

Eine Art Kampfseite für die wahre Salade niçoise ist die Webseite von Henri Cagnoli, der meint, dass die Vendung von Kartoffeln und Bohnen auf Escoffier (noch einen ungekrönten Koch-König) zurückzuführen sei. Er käme nicht aus der Grafschaft Nizza, sondern von der anderen Seite des Var aus der Provence, was seinen Irrtum erkläre.

 

Und noch eine Aussage: Curnonsky "der gewählte Fürst der Gastronomen" schreibt in seinem Kochbuch über die Spezialitäten der französischen Küche: "Es erübrigt sich zu diesem Salat,[ ] die Zutaten anzugeben, da man im Prinzip alle Gemüse verwenden kann, die die Jahreszeit gerade bietet."

Dies zeigt den Zwiespalt: Einerseits soll die Bezeichnung für den Konsumenten aussagefähig sein (Wiener Schnitzel vs. Schnitzel Wiener Art) andererseits unterliegen Essgewohnheiten einer Entwicklung, die sich auch in Rezepten niederschlägt. Die Ernährungsgewohnheiten im 18. oder 19. Jahrhundert waren andere als heute. Wenn man hier allzu ideologisch an Überkommenem festhält, dann schränkt man die Kreativität des Kochens, der Köche und Köchinnen zu stark ein. Sie aber hat, zusammen mit einer größeren Vielfalt an Zutaten auch aus exotischen Küchen, immer dazu beigetragen, dass sich Kochen weiterentwickelt hat. Was aber nicht heißen soll, dass jede Aneignung erlaubt sein sollte und sich jede beliebige Fischsuppe mit dem Namen "Bouillabaisse" schmückt. Dies aber im Sinne einer Übereinkunft und nicht in Form starrer Regeln. Und noch etwas: Selbst beim gleichen Koch schmeckt ein Gericht niemals gleich.

 

Ma sollte meinen, dass es wichtigere Themen auf der Welt gibt, über die es sich lohnt die Köpfe einzuschlagen. Aber wie die Diskussionen in Italien über die "bolognese" zeigen, eignet sich die Zubereitung von Gerichten dazu trefflich.

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